2005

Aufstand im Doppelbett

„Vor acht Jahren ist das Glück in Form meines Mannes zur Tür hereingekommen. Mein Mann ist immer noch da.“

Es wäre kein Abend mit Tina Teubner, wenn dieser trockenen Feststellung nicht umgehend ein Spottgewitter folgen würde: Auf die Routine und die Ignoranz, auf die Niederlagenverschweiger und das Mittelmaß, auf die Cousine und die Gutmenschen, auf die stumpfe Zufriedenheit und die ewig Wichtigen - und nicht zuletzt auf die Vergänglichkeit dieses betörenden, wahnsinnigen, prallen, wehmütigen, viel zu kurzen Lebens. Ihr vorangegangenes Programm "Glücksgalopp - Rettet die Maßlosigkeit!" hat für Furore gesorgt. Tausende von Zuschauern im gesamten deutschen Sprachraum sind ihr auf ihrem scharfzüngigen, charmanten, gefährlichen Galopp ins Glück gefolgt. In ihrem neuen, ihrem zehnten, ihrem Jubiläumsprogramm widmet sie sich der Frage, wie das mühsam erworbene Glück schließlich bleibt und stellt fest: Gar nicht so einfach. Aber äußerst erheiternd. Wenn man es genau genommen nicht so genau nimmt. Wer es liebt, wenn Lieder, Kabarett und Unfug sich zu einem unbeschreiblichen Gesamtkunstwerk runden - berührend, witzig, aktuell - ist bei Tina Teubner genau richtig.


Lob des prallen Lebens

Auch in ihrem zehnten Programm "Aufstand im Doppelbett" gehen Tina Teubner nicht die überraschenden Ideen aus. Im Gegenteil. Die Kunst und das Leben haben einen gemeinsamen altbösen Feind: die Routine. Wo alles voraussehbar wird, erstarrt das Leben und die Kunst läuft leer.

Tina Teubner ist so etwas wie der personifizierte Protest gegen solche Erstarrung. Die leibhaftige Sabotage am Glatten, Gleichförmigen. Das hochprozentige Gegengift gegen die Langeweile.

Kürzlich hob die Kölner Kabarettistin (auch so eine fragwürdige Routine-Klassifizierung) gemeinsam mit ihrem Klavier- und Lebenspartner Ben Süverkrüp im Düsseldorfer Kom(m)ödchen ihr zehntes Programm aus der Taufe. Die Premiere gedieh einmal mehr zum Triumph über das Immergleiche, und entsprechend aus dem Häuschen war das Publikum.

Natürlich ist in "Aufstand im Doppelbett", wie das Jubiläums-Opus heißt, nicht alles anders als in den vorigen Programmen. Kann und soll es auch gar nicht: Weil Tina Teubner ihren Stil gefunden hat, weil sie alte Fäden bewusst weiterspinnt und weil das Bedenken und Besingen von Liebe, Leben, Lust, Leid, Likör usw. sowieso immer weitergehen muss ­ was will man machen?

Auch die Musik (gern in Moll, gern tangoesk) klingt vertraut. Die Geige kommt wieder zum Einsatz, die zuckersüß singende Säge auch. Und dem Rotwein, an dem sich die Diseuse (noch so ein komischer Begriff) den Abend über labt, hat sie erst recht nicht abgeschworen. Warum auch? In ihm liegt bekanntlich Wahrheit. Trotz solcher Konstanten: "Aufstand im Doppelbett" ist wieder ein Füllhorn voller Überraschungen, dialektischer Späße und magischer Momente.

Ein ums andere Mal schlägt Teubner der Routine, auch der des Zuschauers, ein Schnippchen. Wenn der Abend losgeht, kommt der Pianist allein auf die Bühne. Jetzt wird er schon mal zu spielen beginnen, denkt man. Aber von wegen! Stattdessen hört man Teubners gedämpfte Stimme aus dem Off. In die Stille hinein spricht sie von der Schönheit des Anfangs, aus dem noch alles werden kann. Eine poetische Ouvertüre ohne Musik, und wir hören ihr gebannt zu.

Später wird Tina zur E-Gitarre greifen ­ ein Novum. Sie wird wie ein Wasserfall Hessisch babbeln. Eine verblüffend treffsichere Merkel-Parodie-Einlage liefern. Sich mit Ben einen stilisierten Streit liefern, bei dem beide gleichzeitig reden, und zwar exakt deckungsgleich. Sie wird auf der Geige die Zukunft in vierzig Jahren beschwören, zu Meeresrauschen und Möwenschreien. Tina Teubner erfindet einen deutschen Polarfilm, wirft ihrer verhassten Cousine zuliebe mit falschem Italienisch um sich, verwünscht die blöde Vergänglichkeit, wirft sich begeistert in den Applaus, der eigentlich ihrem Pianisten und dessen tollkühner Bravour-Collage "Griegklavierkonzert" gilt, und ihren Rotwein bearbeitet die Chansonette (um einen weiteren Routinebegriff zu bemühen) doch tatsächlich mit einem - - na, das müssen Sie bei Ihrem nächsten Besuch schon selbst erleben.

Noch ganz am Schluss des Programms stellt Tina Teubner der Routine listig ein Bein: Nein, sie endet nicht mit dem schönen, programmatischen "Loblied auf das pralle Leben", sondern plaudert trotzig weiter, um schließlich singend dem Feind entgegenzutreten: eben der Routine. "Ich lehne Routine ab, ich singe niemals das Gleiche", schmettert sie wie eine Walküre, und das in so inbrünstigen Wiederholungen, dass es wie der Beweis des Gegenteils klingt.

Riesenjubel im Saal.

(Olaf Cless in den Düsseldorfer Heften, Dezember 05)